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Restaurant Hirzel Höchi: „Nez rouge“ für die letzten Gäste


Hirzel Hoechi

Wir hatten immer gedacht, das Restaurant sei geschlossen. X mal waren wir daran vorbeigeradelt, -gewandert und gefahren, aber irgendwie sah dieses Haus immer etwas heruntergekommen aus und nichts hatte je darauf hingedeutet, dass das Restaurant noch in Betrieb war. Dass dem nicht so war, erfuhren wir erst im Februar 2014 – und waren seither immer wieder mal da.

Die Eröffnung unter neuer Führung war im Lokalblatt angekündigt worden, also dachten wir uns an einem miesepetrigen Sonntag im Februar, gehen wir mal schauen. Einen Kaffee trinken, Augenschein vor Ort nehmen, Speisekarte inspizieren.

Es roch nach frischer Farbe, der Boden war frisch geschliffen worden, alles sah sehr ordentlich aus, die Speisekarte hatte die richtige Grösse und die richtigen Speisen, die Weinkarte sah vernünftig aus – eine gemütliche Landbeiz, wie sie im Buche steht. Da half nur hingehen.

Anfang Mai war es soweit. Die ausgesprochen nette Bedienung Anna beriet uns bestens. Einmal Wienerschnitzel mit Bratkartoffeln, einmal Rindshuft mit den gleichen Beilagen. Der “Insoglio del cinghiale” war wie immer ein sicherer Wert. Mein Wienerschnitzel war schön goldbraun gebraten, die Kartoffeln hatten noch etwas Biss, der Teller war insgesamt schön arrangiert – so wird in den wenigsten Landbeizen serviert.

Ausgesprochen locker war auch die Atmosphäre im Lokal. Die meisten Tische waren besetzt, hinter uns an einem Vierertisch feierte ein an seinem typischen Akzent erkennbarer Holländer seinen (schätzungsweise ca. 60.) Geburtstag. Wir kamen alsbald mit ihm ins Gespräch, wechselten manches freundliche Wort mit ihm und seinen Begleitern und zuguter letzt offerierte er mir sogar noch eine Heimfahrgelegenheit nach Horgen. Ich war in der Absicht hergekommen, das Auto hier stehen zu lassen und entweder zu Fuss in einer knappen Stunde nach Hause zu gehen oder spätestens den letzten Bus um 23.36 Uhr zu nehmen.

Doch soweit sollte es gar nicht kommen. Als bei unseren Nachbarn Aufbruchstimmung ausbrach, war es bei mir und meinem Begleiter noch nicht soweit. Um 22.30 Uhr – wir waren die letzten Gäste – war auch klar, dass ich den zweitletzten Bus nicht mehr erwischen würde. Um 23 Uhr würde das Restaurant schliessen – und dann? Noch eine gute halbe Stunde warten? Und wie kamen der Koch und die nette polnische Bedienung, die heute ihren letzten Arbeitstag hatte, runter? Beide mussten sie nach Horgen. Na, wenn das keine Win-Win-Situation war: die waren bestimmt beide nüchtern und fahrtüchtig. Kurz in der Küche nachgefragt und so machten wir es dann auch. Ein herrlicher Abend mit Erinnerungscharakter: gutes Essen, schönes Lokal, netter Abend, ausserordentliche Heimreise. Hier war ich nicht das letzte Mal.