Fünf Stunden im Olymp der Kulinarik


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In den Medien ist er omnipräsent, einer jener drei Köche in der Schweiz, dem der Guide Michelin und Gault Millau ihre höchsten Weihen verleihen: 3 Sterne vom einen, 19 Punkte vom andern. Mehr geht nicht, nirgends. Hier macht Andreas Caminada Werbung für Geräte von V-ZUG, da für seine eigene Messer-Linie, in einem Magazin gibt er ein Interview, tritt in einer TV-Show auf oder lässt sich für eine Homestory ablichten.

In Restaurants mit einem Michelin-Stern oder 17 Punkten habe ich bereits das eine oder andere Mal getafelt. Und mich jetzt, kurz vor dem seit Monaten gebuchten Termin auf seinem Schloss Schauenstein in Fürstenau, gefragt, ob denn da überhaupt noch eine Steigerung drinliegt, was denn gegenüber nur einem Stern noch soviel anders sein kann. Vieles, wie ich letzten Samstag feststellen durfte.

Geht man bei Andreas Caminada essen, dann geht es nicht einfach zwei Stunden lang um beste Produkte, perfekte Zubereitung, verschiedene Konsistenzen und prächtig arrangierte Teller. Ein Abend auf Schloss Schauenstein ist nichts weniger als eine fünfstündige Inszenierung, ein Spektakel für viel mehr als nur die Geruchsrezpetoren in der Nase und Geschmackspapillen auf der Zunge und im Gaumen. Das ganze Sensorium wird bespielt, die Augen sowieso, aber auch die Finger werden involviert, wenn man beispielsweise ein kleines, kaltes, mit Peperoni-Gurkensorbet gefülltes Cornet in die Finger nimmt.

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Die Orgie beginnt mit den Amuse bouches: anderthalb Stunden nach Ankunft hatten wir noch nicht mal den ersten Gang auf dem Tisch, uns aber in dieser Zeit an nicht weniger als zwölf verschiedenen Gaumenkitzlern gütlich getan, die uns eindrücklich vor Augen geführt haben, was Spitzengastronomie bedeutet. Bei beinahe allem, was uns präsentiert wurde, haben wir uns gefragt, wie man so etwas macht. Eine rote, gefrorene Kugel in Truffegrösse mit flüssigem Inhalt, bleistiftdünne Röhrchen gefüllt mit Sauerampfer-Paste, mit Gänseleber dünn eingepackte, aussen knallrot bestäubte Mandeln, ein Champignon-Sorbet, ein luftiges, wabbeliges Kartoffelsoufflée. Der normale Hobbykoch hat keinen Dunst oder kann nur rätseln, welche Techniken und Geräte hinter all dem stehen müssen, was für eine Fingerfertigkeit und Kompromisslosigkeit all diese kleinen Köstlichkeiten voraussetzen. Meiner Lebtage noch nie habe ich ein derartiges Spektrum an Konsistenzen, Gerüchen und Geschmäckern vorgesetzt bekommen, noch nie ein derartiges Spektakel für die Augen genossen – immer serviert natürlich im passenden Geschirr, auf einem gekühlten Plättchen, auf einer Porzellan-Bank oder auch auf Steinen.

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Die drei nacheinander servierten Vorspeisen aus dem Wasser – Saibling, Zander, Langustine – standen den Amuse bouches in nichts nach. Alles perfekt auf den Tellern platziert, da ein Schäumchen, das einen Hauch von Blättchen oder einen Schafsgarben-Blütenstand an Ort hielt, dort ein Tupfen Sauce. Ein Hauptgang, geschossen in den Bündner Wäldern, ein schön dotierter Käsewagen, ein Abschlussbouquet aus Friandises und zahlreichen kleinen Süssigkeiten zum Espresso – so wird Essen auf höchstem Niveau zelebriert, so schafft man eine auf verschiedenen Ebenen stattfindendes Erlebnis.

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Ist dieser gewaltige Reigen nach fünf Stunden vorbei, fällt der Abend damit aber nicht der langsam verblassenden Erinnerung anheim. Das Konzept sorgt dafür, dass er noch lange nachhallt und wieder in Erinnerung gerufen werden kann. Mit jedem Amuse bouche, das serviert, mit jedem Gang der aufgetragen wird, bekommt der Gast ein kleines Kärtchen auf den Tisch, auf dem die Speisen aufgedruckt sind. Die Kärtchen werden im kleinen Kartonage-Display platziert, das vor einem steht, und bei der Verabschiedung jedem Gast mit auf den Heimweg gegeben – ordentlich verpackt in eine schnörkellose, schwarze Halbkartontasche, zusammen mit ein paar hausgemachten Süssigkeiten. Neben den zwölf Köchen in der Küche und dem ganzen Service-Personal hat da wohl auch noch eine PR-Agentur einiges zu einem abgerundeten Abend beigesteuert.

Gleichwohl ist dieses kulinarische Gesamtkunstwerk keine billige Effekthascherei. Auf Schloss Schauenstein geht es nicht darum, mit Nebengeräuschen vom Hauptgeschehnis abzulenken. Im Mittelpunkt steht eine Gastronomie, die sich auf das Essen mit all seinen Aspekten fokussiert – und sich so auf das konzentriert, weswegen wir hergekommen waren.

http://www.schauenstein.ch/

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Ein Gedanke zu „Fünf Stunden im Olymp der Kulinarik“

  1. So etwas von wahr und treffend formuliert. Ich kann nur ergänzen: Er ist jeden der 3 Michelin-Sterne und 19 Gault Millau Punkte wert!

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